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Donnerstag @ 11/22/2012
(16) Liebesbekundigungen
Entbehrlich und Zweiunddieselbe.

Es fällt mir schwer über richtig gute Bücher zu bloggen. Irgendwie finde ich keine Worte, zu beschreiben, was ich alles gut fände - das klingt für mich wie lobschleimerei. Meckern fällt mir da viel leichter. Liegt vielleicht auch in der Natur des Menschen, oder wie seht Ihr das? Findet ihr es auch so schwer Medien zu rezensieren, die euch richtig stark beeindruckt haben?
Trotzdem habe ich zwei kleine große Dystopienschätze für Euch, kennt Ihr sie? Würden sie Euch interessieren?

Die Entbehrlichen - von Ninni Holmqvists


"Ich habe wohl geglaubt, mein Leben ist mein Besitz", schwafelte ich. "Etwas, über das ich frei verfüge und über das niemand anders etwas zu sagen hat. Aber jetzt denke ich anders. Mir gehört mein Leben überhaupt nicht, es gehört anderen."

Dorrit ist über fünfzig Jahre alt, ledig und ohne Kinder und arbeitslos. Sie gehört damit zu den entbehrlichen ihrer Gesellschaft und zieht an ihrem Geburtstag ins Sanatorium, der Reversebankeinheit für biologisches Material. Kurz gesagt ein Ort, an dem alle Entbehrlichen der Gesellschaft leben. Dort wird sie sich mit ihren Mitbewohnern für psychologische Experimente und Organspenden zur Verfügung stellen, um dem nützlichen Teil der Gesellschaft zu dienen. Luxoriös, kostenlos, bequem und wohlbehütet ist das Sanatorium, dafür aber abgeschottet von der restlichen Welt. 
Dorrit akzeptiert ihr Schicksal scheinbar widerstandslos, bis sie einem Menschen begegnet, der ihr alles bedeutet.

Die Entbehrlichen ist ein Buch das einfache Worte findet, um viel auszudrücken - still und fast schon neutral schildert die Protagonistin Dorris ihren Alltag im Sanatorium, der sich gar nicht als so schlimm herausstellt, wie sie befürchtet hatte. Denn obwohl die Praxis der Organspenden seit Jahren schon in ihrem Land gang und gebe ist, hatte sie trotzdem irgendwie Angst davor - und bereute es ein bisschen, sich in ihren jüngeren Jahren nicht mehr angestrengt zu haben.  "Das Leben ist ein Kapital, welches unter den Bürgern gerecht verteilt werden muss", antwortet sie ihrem Psychologen - dafür, dass sie der Gesellschaft bisher durch ihren Lebensstil eher zur Last gefallen ist (und weder Kind noch Karriere hatte), dient sie eben nun denen, die es sich verdient haben.
Das Buch stellt leise und indirekte Fragen, die sich einem als Leser unweigerlich aufdrängen - kann es in unserer heutigen Gesellschaft wirklich so weit kommen? Ist das ethisch vertretbar, ältere Menschen für Jüngere, "produktive", sterben zu lassen? Als Versuchskaninchen zu benutzen? Und was tut man, wenn die älteren Menschen es gar nicht als Last empfinden? Wie weit geht Moral?
Ninni Holmqvists Roman ist trotz seiner unaufregenden und sanften Erzählweise unglaublich eindrücklich und spannend - oder vielleicht gerade deswegen. Empfehlenswert besonders für Leser, die sich für Thematiken rund um die demografischen Veränderungen in der westlichen Welt interessieren.

Autorin: Ninni Holmqvist
Verlag: Fischer
Seiten: 272
Erscheinungsdatum: 2011
ISBN: 978-3596183319
Aus: Schweden

Zweiunddieselbe - von Mary E. Pearson

„Früher war ich jemand namens Jenna. Jenna Fox. Das erzählen sie mir jedenfalls. Aber ich bin mehr als ein Name. Mehr, als sie mir erzählen. Mehr als die Zahlen und Fakten, mit denen sie mich vollstopfen. Mehr als die Videos, die sie mich anschauen lassen. Mehr. Aber ich weiß nicht genau was.“
Jenno Fox erwacht, und weiß nicht, wer sie ist. Als die 17jährige aus ihrem 1 1/2 Jahre andauernden Koma aufwacht kann sie sich an keine Freunde erinnern, und eigentlich auch nicht an ihre Familie - bestehend aus Mutter und Großmutter. Die Nachbarn sind ihr fremd und die Gegend, in der sie lebt, nichtssagend.
Da sie natürlich an ihrem bisherigen Leben interessiert ist, fängt sie an, mehr über sich und ihgre Umgebung herauszufinden - und trägt dabei etwas zu Tage, von dem sie nie zu träumen gewagt hätte.

Langsam und vorsichtig ist die Sprache des Buches, zur Mitte hin immer mutiger und fordernder, ganz wie Jenna selbst, die immer mehr über sich und ihre Umstände herausbekommt - erschreckende Dinge, eine Thematik, mit der ich so nicht gerechnet hätte, über die ich aber auch gar nicht zu viel verraten möchte. Das Buch ist nicht ohne Grund eine Dystopie: Gentechnik- und Manipulation geben sich hier die Klinke in die Hand, Forschung, Wissenschaft stehen im Vordergrund: Wie weit darf man gehen, wann überschreitet es ethische Grenzen, und bis wohin ist man noch ein Mensch?
Meiner Meinung nach ein hervorragendes und sehr eindrucksvolles Buch mit erstaunlich zärtlich-poetischer Sprache, die sehr zum nachdenken anregt ohne moralisch zu werden oder langweilig zu wirken.
Autorin: Mary E. Pearson
Verlag: Fischer Schatzinsel
Seiten: 336 (gebundene Ausgabe)
Erscheinungsdatum: Mai 2010
ISBN: 978-3596853373
Aus: den USA


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