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Donnerstag @ 5/09/2013
(11) Liebesbekundigungen
Thirteen Reasons Why.

 

Hannah ist tot. Und Clay um eine Box mit Kassetten reicher. Zuerst hat der junge Teenager keine Ahnung was es mit dem Paket auf sich hat - doch dann hört er sich die erste Kassette an.. und kann es nicht glauben als er die Stimme seiner heimlichen Liebe und Klassenkameradin Hannah hört, die ihn in den sieben Kassetten darüber aufklärt, wer alles an ihrem Tod Schuld ist und wieso. Clay, stellt schockiert fest, ist einer davon...

ist eines der vielen Jugendbücher die die Themen Mobbing und Selbstmord (passenderweise auch noch Vergewaltigung) thematisieren. Leider nimmt sich das Buch an vielen Stellen sehr viel zu wichtig und versucht zwei Sichtweisen in eine zu pressen. Das erklärt sich so:
Clay, der Erzähler, hört sich Hannahs Kassetten an. Dabei wird in kursiver Schrift dargestellt, was er hört. Ein Beispiel (frei aus der Luft gegriffen):
Mein Name ist Horst. Ich stöpsle die Kopfhörer meiner Oma in den Kassettenrecorder und lausche dem Erzähler des Hörbuches, dass ich mir schon vor Jahren auf dem Trödelmarkt gekauft, aber jetzt erst unter einer Schublade stinkiger Socken wiedergefunden habe. Ach ja, falls sich jemand wundert, ich bin Messi. Und mir gar nicht mal so sicher ob ich genug Geduld für so ein Hörbuch habe.
Nofretete, die ihren Namen nicht umsonst trug, saß in ihrem Wohnzimmer und trank ein Tässchen Tee.
Ach ja, Tee, ich könnte mir auch eine Tasse gönnen. Ich stehe auf und laufe ins Wohnzimmer.
Der Tee schmecke bitter. Sie hielt ihn vom Gesicht weg und verzog die Nase. Dabei sah sie, wie ihr Hund sich streckte und langsam aufwachte. Hatte sie den Teebeutel zu lange dringelassen?
Ich stehe im Wohnzimmer und frage mich, was ich hier soll. Ich drehe ab und schlurfe in die Küche. Unter einer alten Packung MonCherie finde ich eine Pfefferminzteepackung die erst seit drei Jahren abgelaufen ist.
Vielleicht war der Tee auch schon zu alt? Prüfend schnupperte Nofretete an ihrer dampfenden Tasse.
Das Wasser kocht nur langsam im Wasserkocher auf und der Wasserdampf verschwindet in der stickigen Luft der Messiwohnung. Meine Kopfhörer schlackern um mich herum.
Natürlich hat das Beispiel nichts mit dem Inhalt von "Tote Mädchen lügen nicht" zu tun - aber so erging es mir immer wieder beim Lesen. Meine Gedanken verknoteten sich bei den oftmals sehr sprunghaften (und ähnlichen) Übergängen von Clays- zu Hannahsgedankenwelt und ich hatte Schwierigkeiten mich in eine der beiden Personen, waren sie sich doch gar nicht so unähnlich, hineinzuversetzen.

Gerade Hannahs Charakter erschien mir oftmals viel zu taff und sarkastisch, als dass ich ihr ihre Probleme mit sich und der Welt wirklich hätte abnehmen können. Mit einer kleinen Prise Humor zählt sie ausführlich (auf sieben Kassetten) die Personen, denen sie die Schuld an ihrem Selbstmord gibt, auf. Leider finde ich ihre Gefühle hinter ihren Gründen einfach nicht plausibel - klar ist das Thema Mobbing brisant und je nach Individuum unterschiedlich aufzufassen - aber so wie Hannah ihre Gründe schildert, wirkt ihre letztendliche Entscheidung einfach unglaubwürdig.

Ich denke ihr Charakter besitzt einfach nicht genügend Tiefe um mich ihr wirklich nahe zu fühlen - man erfährt wenig über sie, über ihre Familie und hat das Gefühl nicht ganz im Bilde zu sein, denn ein Selbstmord hat bestimmt komplexere Ursachen als nur die Gründe, die sie einem auf den Kassetten liefert. Die Verzweiflung, die sie zu dieser Tat führte, wahr nicht wirklich greifbar.
Ein bisschen hatte ich auch das Gefühl, dass der Autor Jay Asher, der ja selbst zugibt die Idee für den Roman bei einer Audioführung in einem Museum gehabt zu haben, sich mehr mit der Umsetzung und den Statistiken von Selbstmord + Mobbing unter Jugendlichen auseinandergesetzt, als sich wirklich mit der inneren Gefühlswelt einer 17 Jährigen beschäftigt. Das merkt man an einigen Stellen*.
Vielleicht hätte man Hannah auch weniger selbstbewusst darstellen können, oder ihre Erzählungen nicht ständig mit obercoolen Sätzen à la 
"Niemand sollte versuchen aus der Reihe zu tanzen, es gibt genug Kopien von allen Werken. Diese könnten, sollten sie an die Presse gelangen für eine Menge Trubel sorgen, wenn das Paket nicht bei allen ankommt. Seid Euch nicht sicher, nie beobachtete zu werden. Ich könnte schon jetzt, in diesem Augenblick, hinter Euch stehen und Euch über die Schulter schauen.
ausschmücken sollen.  
(keine direkte Zitatangabe, umformuliert das Gleiche ausgedrückt)

Ein anderer Grund für die Oberflächlichkeit der Charaktere könnte die zwispältige und zweigeteilte Sichtweise der kursivgedruckten Hannahgedanken und der Gedankenwelt Clays sein. Entweder oder: 

A) Ich hätte es zum einen angenehmer gefunden Hannah näher zu kommen, in dem ich als Leser dabei bin, wenn sie ihre Kassetten aufnimmt. (Oder ihr Tagebuch schreibt, whatever). 

B) Oder den Erzählungen auf den Tonbändern weniger Beachtung geschenkt, dafür Clays Entwicklung mehr Platz eingeräumt (er hätte zum einen in der Schule ermitteln können: Wie haben seine Mitschüler Hannah wirklich wahrgenommen? Was hat Justin in der Nacht zum Xten getan?).
Andererseits ist die Wirkung, die die Kassetten auf Clay haben, für den Leser sehr reizvoll: Ich mich immer wieder dabei wie ich wirklich Mitleid mit Clay bekam, der so gar keine Ahnung hat, wieso ER denn Schuld haben sollte.

Fazit: Letztendlich bleibt "Tote Mädchen lügen nicht" ein mäßig spannender und emotional oberflächlicher Roman mit seelenloser Umsetzung und einer sehr originellen Idee in der eine Ursache zur anderen führt. 


von FÜNF Teetassen.

*Hannah verpasst sich im Buch eine neue Frisur und merkt im Unterricht, als sie das Thema Suizid behandeln, dass optische Veränderung ein Anzeichen von Selbstmord sein können. Wow. Wie originell.

Titel: Tote Mädchen lügen nicht (13 reasons why).
Autor: Jay Asher
Verlag: cbt
Seiten: 288
Erscheinungsdatum: 16. März 2009
ISBN: 978-3570160206
Autor aus: den USA
Tote Mädchen lügen nicht ist im cbt Verlag erschienen, bestellen kann man es hier.

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