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Sonntag @ 1/09/2011
(13) Liebesbekundigungen
Meine zufällige Begegnung mit einem unglaublich spannenden Thema.

Alter Blogeintrag ist alt, entschuldigt. Rein zufällig mir selbst geklaut und hier reinkopiert: 

In letzter Zeit* bin ich sehr häufig auf unglaublich mitreißende Themen gestoßen und ehrlich gesagt traurig, dass ich sie nicht näher (bzw noch näher) untersuchen und behandeln konnte. Wovon spreche ich eigentlich? Natürlich, meinem Studium! (Wie sollte es auch anders sein, ahem.) Da ich seit einigen Wochen nun zu der glücklichen Seite des Lebens gehöre (wer kann schon behaupten, leicht einen Studienplatz zu bekommen? Eigentlich leben wir in einer schrecklichen Zeit, inder die Leute, die gerne studieren wollen keinen Platz bekommen und andere wiederum alles tun um überall den NC auf ein unmögliches zu heben.) habe ich auch das Vergnügen an unterhaltsamen (und manchmal auch recht einschläfernden) Seminaren und Vorlesungen teilzunehmen. Unter anderem erfuhr ich so auch von den Hutterern. Kennt die einer von Euch? Falls nicht muss ich Eurem Wissen unbedingt aushelfen:
[Anmerkung: Ich garantiere nicht, dass alles was ich sage, stimmt. Ich habe mir mein Wissen auch nur angelesen bzw. durch meinen Dozenten, der selbst einige Jahre bei den Hutterern lebte, aneignen können. Ich bitte Euch mir nicht alles zu glauben, manches von dem was ich schreibe "könnte" auch totaler Schund sein! (; ]
Die Hutterer sind eine täuferische Kirche, die auf Jakob Hutter zurückgeht und deren Anhänger in Gütergemeinschaft leben.  Quellenangabe Zitat  [Habt Ihr schon einmal von den Amish-People gehört? So in etwa könnt Ihr Euch auch die Hutterer vorstellen, nur eben weniger bekannt.] Die Hutterer nahmen ihre Anfänge durch Jakob Hutterer, wessen Werdegang und Biographie ich hier aber gar nicht weiter erläutern will da es sonst unspannend werden könnte. Und ich will Euch ja nicht langweilen, ganz im Gegenteil!

Wer sind die Hutterer? Die Hutterer sind Menschen, die ein Leben "abseits vom Konsum" der Außenwelt leben. Bei den Hutterern wird christlicher Kommunismus gelebt, wobei man jedoch unterschiedliche Gruppierungen unterscheiden muss (manche sind stark konservativ geprägt, manche weniger.) Die Hutterergemeinschaft spricht heute noch das Hutterische, ein sehr stark dialektal gefärbtes Deutsch worunter man sich eine Art Plattdeutsch vorstellen kann (obwohl ich kein Plattdeutsch kann, von daher ist dies nur meine Einschätzung.) Die Hutterer leben in Gemeinschaften von bis zu 140 Menschen, also in recht kleinen Dörfern in denen es keine Straßen, sondern nur Fußwege gibt. Autos besitzen sie zwar, allerdings nur Autobusse um gemeinschaftlich zu verreisen oder um zum Arzt in die Stadt zu fahren. Die Dörfchen, meist aus knapp einem Dutzend Häusern bestehend, besitzen alle einen gemeinsamen Speisesaal in dem a l l e gemeinsam essen, eine Kirche (Sonntag ist Gottesdienst und Nachmittags für die Jugendlichen Unterrichtspflicht!) und eine Schule. Außerdem versorgen sie sich in allem was sie zum Leben brauchen selbst, abgesehen von Dingen wie Öl oder Sprit sind sie komplett unabhängig vom Rest der Gesellschaft. Die erste Stufe die Hutterer in ihrer Ausbildung durchlaufen ist die Kinderbetreuung, eine sogenannte Klankinderschule welche theoretisch ein Vorläufer des hiesigen Kindergarten gewesen wäre (leider gab es zu der Zeit noch keinen einheitlichen Begriff vom Kindergarten, den erfand Fröbel später).
Auch ein eigenes Schulwesen entwickelten die Hutterer: Neben dem gemeinschaftlichen Unterricht gibt es einen staatlich verordneten Unterricht, wobei bei ersterem besonders die Position des Lehrer interessant ist: Der Lehrer ist im Dorf der Hutterer nämlich eine besonders hohe Stellung, denn er ist für die Erziehung der Kinder hauptverantwortlich    n i c h t die Eltern! Ich selbst hatte Schwierigkeiten mir das vorzustellen. Frauen bekommen bei den Hutterern zwar im Durchschnitt 5 Kinder (vor einigen Jahrzehnten waren es noch 12!) allerdings übernehmen sogenannte "Sorgelas" (hier: Babysitter) neben dem Dorflehrer die Betreuung, Verpflegung und Erziehung der Kinder ab einem Alter von knapp einem Jahr. Sorgelas, dass sind Mädchen ab einem Alter von zehn, dann werden sie, soweit der Lehrer sie für fähig hält, einem Kind zugewiesen für das sie zuständig sind, bis es in die Schule geht.
Somit haben die Hutterer auch ganz anders geprägte Begriffe - Familie, Eltern; viele Dinge die für uns ganz normal bzw. gewöhnlich sind, sehen sie (selbstverständlich durch ihre Kultur und ihre Erziehung) in einem ganz anderen Licht. Etwas veraltet könnte für uns auch der Begriff der Geschlechter sein: Mädchen und Jungen sind nicht gleichberechtigt, Mädchen übernehmen in den Gemeinschaften ganz natürlich (und althergebrachte) Frauenrollen und eher weiblich geprägte Berufe wie Näherin oder Bäckerin [wobei der Begriff der Gemeinschaft bei den Hutterern viel stärker wiegt als bei uns, viele Dinge sind jedermanns Gut und das "Einanderhelfen" ist viel mehr verbreitet, als hier] - die Männer hingegen werden ab dem 15. Lebensjahr, nach ihrer Taufe in der sie, genauso wie auch die Frauen, in die Gemeinschaft aufgenommen werden, als Schuster/Schlachter/Techniker ausgebildet. Somit sehen sich die Geschlechter im Berufsleben weniger, was wohl zum Frieden im Dorf und zum langen Halten von Beziehungen führen soll. Viele Hutterer üben gleichzeitig m e h r e r e Berufe aus! So arbeitet eine Kindererzieherin z.B. auch als Haushilfe oder Hebamme. Zweck dessen ist es, weniger Routine entstehen zu lassen und den Menschen weniger Alltagsstress zu bieten. Mehr Abwechslung zu haben, sich auf mehrere Gebiete spezialisieren und in vielen Bereichen aushelfen zu können.
Zur Rolle der Mädchen gehört auch noch, dass sie ab ihrem 15. Lebensjahr (oder vllt. war es auch ihr 10. Lebensjahr? ich weiß es nicht mehr so genau..) ihr Kopftuch, passend zur traditionellen Tracht die jeder im Dorf trägt, geschenkt bekommen. Außerdem bekommen die meisten Dirnen (so nennt man Mädchen dort, es ist kein negativ gezeichneter Begriff!) dann auch eine abschließbare Truhe und eine Elna aus der Schweiz, womit eine recht teure Nähmaschine gemeint ist. Wunderbar, oder?
Ansonsten gibt es noch einige, für uns kuriose, Lebensweisen der Hutterer. Um nicht in Versuchung durch die konsumorientierte Außenwelt zu geraten besitzt keine hutterische Gemeinschaft einen Fernseher, genausowenig wie ein Radio. Auch Fotografien sind meines Wissens dort verboten.
Heiraten tut man recht früh - die meisten Heiraten finden im Alter von 21 bis 25 Jahren statt, schließlich will keine Frau eine "oolde Dirne" werden.

Witzig, wie unterschiedlich die Artikel über Hutterer im Internet ausfallen - mein hier niedergeschriebenes Wissen habe ich hauptsächlich durch meinen Dozenten erworben, der wie erwähnt einige Jahre in mehreren Gemeinschaften von Hutterern verbrachte. Somit glaube ich ihm natürlich viel eher, als einigen Webseiten im Net - trotzdem behaupten doch mache recht skurile Dinge wie "Die Eltern tragen für ihre Kinder die Hauptverantwortung." - laut meinem Dozenten tun sie gerade das nicht, weshalb es ihnen auch so einfach fällt, viele Kinder zu bekommen: Die Gemeinde sorgt gleichwohl für die Neugeborenen und Kinder, jeder trägt etwas dazu bei.

Ich hoffe ich habe Euch mit so einem langen Text nicht verscheucht, wenn ich es doch getan haben sollte tut es mir Leid - aber ich schreibe nun mal auch gerne, und ein reiner Bilderblog gefällt mir nicht [; . War es denn wenigstens interessant? Habt ihr etwas gelesen, was ihr vorher noch nicht wusstet?

PS. nein, ich hatte keine Langeweile XD 

*Sprich: Im 1. Semester meines Studiums, im Jahre 2010. 

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